
Marta Kijowska
Kurier der Erinnerung
Das Leben des Jan Karski
2014. 382 S. mit 39 Abbildungen. Gebunden mit schwarz-weiß Fotos ,
ISBN 978-3-406-66073-3, Preis: 24,95 €
Verlag C.H.Beck, München, Tel.: +49 (0)89 381 89 - 315/522, Fax: +49 (0)89 381 89 – 587,
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100. Geburtstag von Jan Karski am 24. April 2014
Jan Karski wurde 1914 in Lodz geboren und hatte eine Diplomatenkarriere vor sich, als die Wehrmacht Polen überfiel. Unter der deutschen Besetzung wurde er zu einem der aktivsten Mitglieder der polnischen Untergrundbewegung und zu einem ihrer wichtigsten Kuriere. Im Herbst 1942 wurde er auf einer speziellen Mission in den Westen geschickt. Er sollte die polnische Exilregierung und die Alliierten über die Arbeit des Untergrunds, aber auch über das Schicksal der polnischen Juden informieren. Um einen möglichst glaubwürdigen Bericht zu liefern, ließ er sich vorher ins Warschauer Ghetto und in ein Transitlager im Osten Polens einschleusen. Doch seine Versuche, die Welt zu alarmieren, blieben ohne Wirkung: Er wurde zwar in London u. a. von Außenminister Anthony Eden und in Washington sogar von Präsident Franklin D. Roosevelt empfangen, doch entweder schenkte man seinem Bericht keinen Glauben oder man blieb gleichgültig. Schockiert und enttäuscht wollte Karski über seine Erlebnisse nie wieder sprechen. Er ließ sich in Washington nieder, wo er viele Jahre an der Georgetown University lehrte. Erst Ende der 70er Jahre gelingt es Claude Lanzmann ihn für seinen Dokumentarfilm "Shoah" vor die Kamera zu holen. Erneut betätigt Karski sich als Kurier, diesmal als Kurier der Erinnerung.
Seit 2011 sein "Bericht an die Welt" erstmals auf deutsch erschien, ist Jan Karski auch hierzulande dem Vergessen entrissen worden. Jetzt legt Marta Kijowska die erste deutschsprachige Biografie vor, die sein ganzes Leben erzählt, auch die frühen Jahre und die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Zum Kriegsausbruch am 1. September 1939
Wie lange braucht man, um festzustellen, daß ein Krieg kein Bluff ist, sondern ein richtiger Krieg? Und daß er für den Schwächeren unter Umständen genauso schnell enden kann, wie er angefangen hat? Auf so oder ähnliche klingende Fragen antwortete Professor Karski meistens, in seinem Fall sei der Krieg am 1. September 1939, fünf Minuten nach fünf in der Früh ausgebrochen und habe ungefähr zwei Stunden gedauert. Aus seiner Präzision war beides herauszuhören: Schock und Schmerz des jungen Soldaten und Ironie und Bitterkeit des Politikwissenschaftlers. Der eine mußte erst lernen, daß auch ein so „starkes und stolzes“ Land wie das seine innerhalb von wenigen Tagen zusammenbrechen konnte bzw. daß Polen zwar stolz, aber keineswegs stark gewesen war. Und daß folglich nicht das Verhalten Hitlers, sondern die Behauptung der polnischen Staatsführung, in der Lage zu sein, ihm gegebenenfalls „eine schnelle Lektion zu erteilen“, ein großer Bluff gewesen war. Der andere wußte das alles längst und kannte zudem die wahren Zusammenhänge und Hintergründe.
Jan Karski: Wenn ich heute die Tagebücher all dieser Generäle lese: Wir haben den Deutschen schwere Schäden zugefügt, wir haben gekämpft und so weiter. Ich habe nichts Derartiges gesehen. Es gab gar keinen Plan, keine Strategie. Nur ein einziges stinkendes Chaos.
Pilsudski hatte der polnischen Armee enormen Schaden zugefügt, denn er setzte, ähnlich wie die russischen Generäle Tuchatschewski und Budjonny, nur auf Pferde. In der Zeit, in der Deutschland und Frankreich sich Panzer und mechanisierte Divisionen zulegten, zwang Pilsudski Polen ein ganz anderes Militärsystem auf.
Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, lebt seit 1979 in München. Sie studierte Germanistik, war Redakteurin von Kindlers Literatur Lexikon, arbeitet als Journalistin für Zeitungen und Hörfunk und als Übersetzerin aus dem Polnischen.