Gespeichert von Nechvatal am Mi., 28.01.2015 - 12:59

Kulturhauptstadt Pilsen
Utl.: Die Juden Pilsens und die deutsche Kultur

Wer als Tourist mehr als manche ausländische Reisegruppen nicht nur die Brauerei Pilsner Urquell oder bestenfalls noch den Stadtplatz mit seinen malerischen Fassaden besucht, wird bei einem Stadtrundgang auch auf die zwei mächtigen Türme der Großen Synagoge stoßen. Diese Synagoge ist die größte Böhmens und der Tschechischen Republik.

Als sie in den 80er Jahres des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, war sie die größte Synagoge der Welt. Jetzt ist sie die zweitgrößte Europas (nach Budapest) und die drittgrößte der Welt, seitdem Jerusalem wieder jüdisch wurde. Ungewöhnlich für eine Synagoge ist die Orgel, die 1893 von der Orgel-Bauanstalt der Brüder Brauner in Mährisch Neustadt gebaut wurde. Architekt war Emanuel Klotz, nachdem der Entwurf von Max Fleischer aus Prossnitz  vom Stadtrat abgelehnt wurde. Die Zahl von 2000 Sitzplätzen zeigt, dass die Gemeinde sehr groß war. 1910 gab es über 3500 Juden in Pilsen, heute sind es nur 60.

Wie die meisten Juden Böhmens gehörten auch die Juden in Pilsen und seiner Umgebung zum deutschen Kulturkreis. 1883 ist hier der früh erblindete  Schriftsteller Oskar Baum geboren, der 1941 in Prag starb. Er war mit Max Brod und Franz Kafka befreundet, seine Prager Wohnung war ein Treffpunkt des Prager Kreises. Er war nicht nur Literat, sondern auch Lehrer für Orgel und Klavier und ein damals bekannter Musikkritiker. Sein Roman Das Leben im Dunkeln hat durch seine Blindheit einen autobiographischen Hintergrund, ebenso seine Novelle Uferdasein. Aus dem Blindenleben. 

In Pilsen geborene und dort tätige Rabbiner zeigen, wie deutsch, liberal und reformerisch das Judentum Pilsens war. Der 1870 in Pilsen geborene Hermann Vogelstein war als Rabbiner in Oppeln, Königsberg und Breslau einer der führenden Rabbiner in Deutschland und wie sein Vater Heinemann Vogelstein gegen die zionistische und nationaljüdische Bewegung.

Mit Paul Rieger verfasste er das Standardwerk Die Juden in Rom. Unter der Vielzahl seiner Werke sind als bekannteste Bücher  Die Anfänge des Talmuds und die Entstehung des Christentums zu nennen oder seine Beiträge zur Geschichte des Unterrichtswesens in der jüdischen Gemeinde in Königsberg. Er emigrierte 1938 nach England, dann in die USA und starb 1942 in New York. Sein Bruder Theodor, der 1896 als Vertreter einer Firma in die USA ging, war als Industrieller ein angesehener Philanthrop und Vizepräsident der World Union for Progressive Judaism, ein entschiedener Verfechter des Reformjudentums, aber Gegner des Zionismus.

 

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