Slowakei: Erstmals eine Karpatendeutsche "Goldene Oma"!
Einmal jährlich werden in der Slowakei drei Menschen aus der Großelterngeneration mit schwerem, aber gemeistertem Schicksal hoch geehrt. Am 7. Dezember 2015 geschah dies in festlichem Rahmen auf Schloß Weinitz, nahe Priwitz/Prievidza im Hauerland.
Außenminister Miroslav Lajcak ehrte mit Gold „Oma“, wie sie in ihrer Heimatgemeinde und auch allgemein genannt wird, Anna Zavacká aus Hobgarten/Chmelnica u. a. Mutter der ehemaligen Grundschuldirektorin Maria Recktenwald, ebendort.
Ihre spannende Lebensgeschichte wird in einem kürzlich fertiggestellten Buch dargelegt, sowohl auf Deutsch als auch auf Slowakisch.
Anna Zavacká wurde am 21. März 1926 in Hobgarten geboren und hat die ganze schwere Zeit hautnah durchmachen müssen, einschließlich Deportation in die Sowjetunion. Irgendwie hat sie es geschafft, trotzdem soweit gesund zu bleiben, bereits 1947 zu heiraten und zwei Kinder – Maria (1949) und Magdalena (1950) – großzuziehen. Ihr Mann verstarb bereits 1954 bei einem Unfall. Jetzt lebt sie bei ihrer Tochter Maria mit insgesamt drei Generationen in Hobgarten.
In die Verschleppung gezwungen
Ende Februar 1945 holten Rotarmisten rund 40 Hobgärtner, vor allem Mädchen und junge Frauen sowie einige Burschen und Männer in der Schule zusammen und trieben sie im Fußmarsch nach Polen. Von dort ging es mit LKWs an die sowjetische Grenze. Dann, nach Wochen im Viehwaggon mit Loch im Boden, kam die Entlausung, das Lager Artimowsk (Gebiet Swerdlowsk/Jekaterinburg).
Die Frauen wurden zuerst zu Waldarbeiten eingesetzt, später gelang die Versetzung in die Wäscherei. Mit dem Waschbrett 15 Hemden o. ä. war am Tag die Norm, meist handelte es sich um die Wäsche von Toten. Dazu immer wieder Verhöre – es gab aber keine Widersprüche unter den Ortsbewohnern.
Eines Tages kündigte ein Sowjetoffizier an, die Aussagen in Hobgarten zu überprüfen. Der Offizier hielt Wort, und die Hopgärtner kamen frei. Die Rückreise dauerte vom 12. Oktober bis zum 8. Dezember 1945.
Hobgarten: Durch die verbrecherischen Beneš-Dekrete der Tschechoslowakei wurden 1945 praktisch alle Volksdeutschen vertrieben. Es gab Lager und Transporte, nicht ganz so schrecklich wie im tschechischen Teil. Von allen Siedlungen haben nur Hobgarten und Metzenseifen/Medzew, im Bodwatal Kaschau/Kosice das Vertreibungsschicksal in deutlich geringerem Ausmaß erleben müssen.
In Hobgarten traf es rund 100 der damals etwa 700 Einwohner, denn dem r. k. Pfarrer Stefan Putanko war es immer wieder gelungen, rechtzeitig vor einer Aushebung durch die Polizei die Einwohner in die nahen Wälder oder zu Verwandten in der Umgebung zu schicken.
„Ich berichte, damit ein Stück Wahrheit bleibt.“ Damit schließt „Oma“ den Auszug aus ihrem spannenden Leben. Er ist über die Zeiten hinweg gültig, erweckt Dankbarkeit für den Erlebnisbericht und regt zur Weitergabe, zur Beschäftigung mit der wirklichen Lebensgeschichte so vieler anderer an. Man muß sich nur der langen Zeiträume bewußt werden, der oft schrecklichen Erlebnisse, der auch erfahrenen Barmherzigkeiten. Alles zusammen Geschichte, wie sie nicht in den üblichen Lehr- bzw. Lesebüchern steht – eben die wirkliche Wirklichkeit. Der Dank aller Gutwilligen ist Anna Zavacká, ihren Angehörigen und Herrn Lehrer Fritsche, dem Autor des oben angekündigten Buches, gewiß.
Wolfgang Steffanides