Gespeichert von Nechvatal am Mi., 18.02.2015 - 18:34

Kein Wunder…

von Manfred Maurer

ES HAT KEINEN Politiker gekratzt. Kein einziger Mucks der Empörung tönte aus dem sich ansonsten gern bei jeder möglichen und unmöglichen Gele­genheit mit aller Inbrunst echauffieren­den politisch-medialen Komplex. Man stelle sich nur vor, was losgewesen wäre, wenn jemand eine nicht-einheimi­sche Gruppe von Menschen pauschal als „Unmenschen", „Tiere" und „Mißge­burt" bezeichnet hätte.

Groß war die Aufregung, als im November ein nie­derösterreichischer Abgeordneter in ei­nem Facebook-Eintrag Asylwerber mit Höhlenmenschen gleichgesetzt hatte. Es hagelte Rücktrittsforderungen von allen Seiten. Durchaus zu Recht. Die pauschale Herabwürdigung einer Grup­pe sollte in einem Land, das sich den europäischen Grundwerten verpflichtet fühlt, unzulässig sein und daher ent­sprechend verurteilt werden.

Dabei könnte man noch (was aber eingedenk der hinter der Aussage stehenden In­tention nicht wirklich sinnvoll ist) dar­über diskutieren, ob die Bezeichnung „Höhlenmensch" per se als Beleidigung einzustufen ist, gebietet es doch der Respekt vor unseren Urururururur-Ah­nen, diese nicht als Untermenschen einzustufen, mit denen verglichen zu werden eine Beleidigung ist. Vielleicht könnten uns diese „Höhlenmenschen" ein paar Dinge über das Leben lehren, die wir im Zuge der Evolution verlernt haben. Da der Begriff „Höhlenmensch" aber eher negativ konnotiert ist, kann jedem, der einen anderen als solchen bezeichnet eine böse Absicht unter­stellt werden.

BEI BEGRIFFEN wie Unmensch oder Mißgeburt steht mindestens ebenso außer Frage, daß der Verwendung die­ser Begriffe in Bezug auf andere Men­schen keine guten Absichten zugrunde­liegen. Und trotzdem hat es in der Tschechischen Republik jahrelang nie­manden aufgeregt, daß da ein Buch herausgegeben und dann auch noch für den Unterricht in den Schulen empfoh­len wurde, in dem Deutsche im Allge­meinen und Sudetendeutsche im Be­sonderen als „Unmenschen“, „Tiere" und „Mißgeburt" bezeichnet werden.

ES HAT KEINEN tschechischen Poli­tiker gekratzt. Es hat keinen tschechi­schen Journalisten gekratzt. Und es hat keinen tschechischen Staatsanwalt ge­kratzt, als eine Gruppe von Sudeten­deutschen Anzeige gegen das Buch „Nemci" erstattet hat. Die Meinungsfrei­heit geht vor, befand einer dieser Juri­sten.

ES WAR SCHON ungewöhnlich, daß dieses anti(sudeten)deutsche Pamphlet der beiden tschechischen Haßprediger Vacek und Krutina in Tschechien nie­manden aufgeregt hat. Es gibt zwar ein Sudetendeutsches Kontaktbüro in Prag, das eine besondere Sensibilität für sol­che Dinge haben sollte. Aber alles kön­nen die natürlich auch nicht sehen.

Es gäbe auch eine deutsche oder eine österreichische Botschaft in Prag, der so etwas auffallen könnte. Aber alles will man natürlich auch nicht sehen. Gott sei Dank gibt es ja neuerdings eine bayerische „Botschaft" in Prag. Und wenn den bayerischen „Diplomaten" zu Ohren kommen sollte, daß irgendein Autor (Sudeten)Deutsche pauschal ver­unglimpft, dann werden sie in der Bayerischen Staatskanzlei anrufen und dann wird der Horst Seehofer sofort nach Prag fahren und wieder einmal die Normalität der wunderbarsten aller Beziehungen abfeiern.

TJA, SO IST DAS nämlich. Es kratzt kei­nen Politiker, wenn Sudetendeutsche zu „Unmenschen“, „Tieren“ und „Missgeburten“ erklärt werden. Seit zwei Monaten ist diese Information nämlich nun auch im deutsch­sprachigen Raum zugänglich. Und wie war die Reaktion der ansonsten so schnell auf­geregten politisch-medialen Szene: Gleich null. Einige Zeitungen berichteten über diesen Skandal, erhielten ein paar em­pörte Leserbriefe von Vertriebenen, aber ansonsten: Funkstille. Keine(r) regt sich auf. Allen ist es wurscht. Nur ja nicht die Fiktion der immer wunderbarer werdenden Beziehungen mit der Tschechischen Re­publik stören.

MAG SEIN, daß nur eine Minderheit der Tschechen das Urteil Vaceks und Krutinas teilt und die Causa daher keine Staats­affäre wert ist. Aber angesichts einer schweigenden Mehrheit (nehmen wir ein­mal wohlwollend an, daß es eine Mehrheit ist) scheint es sehr wohl angemessen, ein paar Worte über dieses Pamphlet zu ver­lieren. Hüben wie drüben wären ein paar Klarstellungen fällig: Hüben, daß man sich so etwas nicht widerspruchlos gefallen läßt, drüben, daß diese Meinung von ein paar Wirrköpfen zu verurteilen und vor allem nicht für den Schulunterricht zu emp­fehlen ist.

WENN UNSERE POLITIKER diese Klar­stellungen nicht geben und einfordern, dürfen sie sich nicht wundern, wenn es immer mehr Menschen gibt, die sich neuen Gruppierungen anschließen, vor denen vor allem die Union in Deutschland Angst hat.

DIESE ANGST hat sie zu Recht. Aber die Ursache dieser Angst ließe sich besei­tigen. Zum Beispiel, indem man die Ver­triebenen und deren Interessen wieder wirklich ernstnimmt und sie nicht als will­fähriges Stimmvieh betrachtet, das ab und zu mit ein paar netten Worten über seine Wiederaufbauleistung bedacht, da und dort ein (aber bitte politisch korrektes) Museum einrichten darf, aber ansonsten nicht weiter ernstgenommen zu werden braucht.

Dieser Kommentar von Manfred Maurer erschien in der Sudetenpost Folge 2 vom 12. Feber 2015.

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