Kein Wunder…
von Manfred Maurer
ES HAT KEINEN Politiker gekratzt. Kein einziger Mucks der Empörung tönte aus dem sich ansonsten gern bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit mit aller Inbrunst echauffierenden politisch-medialen Komplex. Man stelle sich nur vor, was losgewesen wäre, wenn jemand eine nicht-einheimische Gruppe von Menschen pauschal als „Unmenschen", „Tiere" und „Mißgeburt" bezeichnet hätte.
Groß war die Aufregung, als im November ein niederösterreichischer Abgeordneter in einem Facebook-Eintrag Asylwerber mit Höhlenmenschen gleichgesetzt hatte. Es hagelte Rücktrittsforderungen von allen Seiten. Durchaus zu Recht. Die pauschale Herabwürdigung einer Gruppe sollte in einem Land, das sich den europäischen Grundwerten verpflichtet fühlt, unzulässig sein und daher entsprechend verurteilt werden.
Dabei könnte man noch (was aber eingedenk der hinter der Aussage stehenden Intention nicht wirklich sinnvoll ist) darüber diskutieren, ob die Bezeichnung „Höhlenmensch" per se als Beleidigung einzustufen ist, gebietet es doch der Respekt vor unseren Urururururur-Ahnen, diese nicht als Untermenschen einzustufen, mit denen verglichen zu werden eine Beleidigung ist. Vielleicht könnten uns diese „Höhlenmenschen" ein paar Dinge über das Leben lehren, die wir im Zuge der Evolution verlernt haben. Da der Begriff „Höhlenmensch" aber eher negativ konnotiert ist, kann jedem, der einen anderen als solchen bezeichnet eine böse Absicht unterstellt werden.
BEI BEGRIFFEN wie Unmensch oder Mißgeburt steht mindestens ebenso außer Frage, daß der Verwendung dieser Begriffe in Bezug auf andere Menschen keine guten Absichten zugrundeliegen. Und trotzdem hat es in der Tschechischen Republik jahrelang niemanden aufgeregt, daß da ein Buch herausgegeben und dann auch noch für den Unterricht in den Schulen empfohlen wurde, in dem Deutsche im Allgemeinen und Sudetendeutsche im Besonderen als „Unmenschen“, „Tiere" und „Mißgeburt" bezeichnet werden.
ES HAT KEINEN tschechischen Politiker gekratzt. Es hat keinen tschechischen Journalisten gekratzt. Und es hat keinen tschechischen Staatsanwalt gekratzt, als eine Gruppe von Sudetendeutschen Anzeige gegen das Buch „Nemci" erstattet hat. Die Meinungsfreiheit geht vor, befand einer dieser Juristen.
ES WAR SCHON ungewöhnlich, daß dieses anti(sudeten)deutsche Pamphlet der beiden tschechischen Haßprediger Vacek und Krutina in Tschechien niemanden aufgeregt hat. Es gibt zwar ein Sudetendeutsches Kontaktbüro in Prag, das eine besondere Sensibilität für solche Dinge haben sollte. Aber alles können die natürlich auch nicht sehen.
Es gäbe auch eine deutsche oder eine österreichische Botschaft in Prag, der so etwas auffallen könnte. Aber alles will man natürlich auch nicht sehen. Gott sei Dank gibt es ja neuerdings eine bayerische „Botschaft" in Prag. Und wenn den bayerischen „Diplomaten" zu Ohren kommen sollte, daß irgendein Autor (Sudeten)Deutsche pauschal verunglimpft, dann werden sie in der Bayerischen Staatskanzlei anrufen und dann wird der Horst Seehofer sofort nach Prag fahren und wieder einmal die Normalität der wunderbarsten aller Beziehungen abfeiern.
TJA, SO IST DAS nämlich. Es kratzt keinen Politiker, wenn Sudetendeutsche zu „Unmenschen“, „Tieren“ und „Missgeburten“ erklärt werden. Seit zwei Monaten ist diese Information nämlich nun auch im deutschsprachigen Raum zugänglich. Und wie war die Reaktion der ansonsten so schnell aufgeregten politisch-medialen Szene: Gleich null. Einige Zeitungen berichteten über diesen Skandal, erhielten ein paar empörte Leserbriefe von Vertriebenen, aber ansonsten: Funkstille. Keine(r) regt sich auf. Allen ist es wurscht. Nur ja nicht die Fiktion der immer wunderbarer werdenden Beziehungen mit der Tschechischen Republik stören.
MAG SEIN, daß nur eine Minderheit der Tschechen das Urteil Vaceks und Krutinas teilt und die Causa daher keine Staatsaffäre wert ist. Aber angesichts einer schweigenden Mehrheit (nehmen wir einmal wohlwollend an, daß es eine Mehrheit ist) scheint es sehr wohl angemessen, ein paar Worte über dieses Pamphlet zu verlieren. Hüben wie drüben wären ein paar Klarstellungen fällig: Hüben, daß man sich so etwas nicht widerspruchlos gefallen läßt, drüben, daß diese Meinung von ein paar Wirrköpfen zu verurteilen und vor allem nicht für den Schulunterricht zu empfehlen ist.
WENN UNSERE POLITIKER diese Klarstellungen nicht geben und einfordern, dürfen sie sich nicht wundern, wenn es immer mehr Menschen gibt, die sich neuen Gruppierungen anschließen, vor denen vor allem die Union in Deutschland Angst hat.
DIESE ANGST hat sie zu Recht. Aber die Ursache dieser Angst ließe sich beseitigen. Zum Beispiel, indem man die Vertriebenen und deren Interessen wieder wirklich ernstnimmt und sie nicht als willfähriges Stimmvieh betrachtet, das ab und zu mit ein paar netten Worten über seine Wiederaufbauleistung bedacht, da und dort ein (aber bitte politisch korrektes) Museum einrichten darf, aber ansonsten nicht weiter ernstgenommen zu werden braucht.
Dieser Kommentar von Manfred Maurer erschien in der Sudetenpost Folge 2 vom 12. Feber 2015.
Sie können die Sudetenpost – die monatlich erscheint – im Inland um € 32,-- , in Deutschland und im EU-Raum um € 38,-- und in Übersee um € 60,-- beziehen. http://www.sudetenpost.eu/ Abo bei office@sudeten.at bestellen.