Totengedenken der Donauschwaben in der Kirche am Kaasgraben, Wien 19
Utl.: Regens Dr. Richard Tatzreiter und der Evangel. Pfarrer Mag. Matthias Eickenberg gestalteten die Gedenkmesse
Worte des Laien Ing. Dieter Lütze waren eine berührende Einleitung
„Mein Name ist Dieter Lütze und ich wurde 1942 in unserer alten Heimat in Neusatz geboren. Meine Vorfahren kommen aus Plochingen in der Nähe von Stuttgart von wo sie vor 200 Jahren ausgewandert sind. In ihrer neuen Heimat haben sie im Laufe von vielen Jahren durch Fleiß und harte Arbeit Wohlstand und Ansehen errungen.
Ich selbst gehöre zu der glücklichen Generation die zwar noch in der alten Heimat geboren wurde, die aber von den Gräueln, der Ermordung, Vertreibung, Enteignung und Entrechtung meiner lieben Landsleute nichts mehr mitbekommen hat, ganz einfach deshalb weil ich damals noch zu jung war das alles zu begreifen. Dass wir die Flucht zwar arm aber unbeschadet überstanden haben verdanke ich vor allem meinen Eltern. An dieser Stelle meinen Dank an meine lieben Eltern, die uns vor diesem Schicksal bewahrt haben. Umso mehr verneige ich mich aber auch vor allen lieben Landsleuten und meinen Verwandten die nicht so viel Glück hatten und all die schrecklichen Leiden ertragen mussten oder daran zu Grunde gegangen sind. Erst viel später ist mir die volle Tragik dieser armen Menschen bewusst geworden, deren einziger Fehler es war, Deutscher Abstammung zu sein. Wieso es bei mir so lange gedauert hat bis ich mich mit dieser Vergangenheit beschäftigt habe? Die alte Heimat war immer das Thema meiner Eltern und in der Schule haben wir nichts erfahren. So habe ich mich einfach nicht damit identifiziert. Geändert hat sich das alles erst nach und nach aber nun lässt mich die Vergangenheit meiner Familie und meiner Landsleute nicht mehr los und macht mich bewegt und betroffen. Der erste Anstoß geschah beim Tod meines Vaters. Er hat sich keine Blumen und Kränze gewünscht sondern, dass das Geld für das Mahnmal der Donauschwaben, hier in dieser Kirche gespendet wird. Ich war damals zum ersten Mal hier und musste feststellen, dass unser Mahnmal sehr vernachlässigt war und eher einer Rumpelkammer glich. Daraufhin habe ich dann im Sinne meines Vaters begonnen mit den zuständigen Stellen der Kirche und der Donauschwaben zu sprechen und zu intervenieren. Zum guten Ende war es dann so weit und es wurde mit der Renovierung begonnen deren geglücktes Resultat Sie heute sehen können. Vielen Dank an alle die dieses Projekt unterstützt und begleitet haben. Den nächsten Anstoß, sich mit dem Leben meiner Familie und meiner Landsleute zu beschäftigen, erhielt ich aber durch die ausführliche und sehr mühsame Arbeit mit der Restitution und durch zwei Reisen in meine Geburtsstadt und deren Umgebung. Die erste Reise war eigentlich eine große Enttäuschung. Ich kam in eine fremde Stadt und die Spuren, die ich erhofft hatte zu finden, waren bereits verwischt.
Die zweite Reise unternahm ich dann vor zwei Jahren mit drei Kameraden von den „Hundertjährigen“. Wir waren an den alten Orten der Erinnerung und besuchten Häuser, die früher ihren Familien gehört hatten und in denen jetzt fremde Menschen wohnen, wir waren in Kirchen, sahen überwucherte und berührende Friedhöfe und standen vor Denkmälern, die an das Leiden erinnern. Diese manchmal sehr emotionellen Erlebnisse und die gute Kameradschaft mit meinen Mitreisenden werde ich nie vergessen. Bei der Beschaffung der Unterlagen für die Restitution, teilweise auch ein Hürdenlauf mit einigen Schikanen, bin ich dem Leben meiner Familie und unserer Landsleute sehr nahe gekommen und regelrecht darin eingetaucht. Endlich habe ich begonnen zu verstehen welche großartigen Leistungen unsere Vorfahren vollbracht haben und was ihnen so grausam und gewaltsam weggenommen wurde. Leider kann ich auf viele Fragen, die mich heute brennend interessieren, keine Antwort mehr bekommen weil meine Eltern schon gestorben sind und ich versäumt habe diese Fragen rechtzeitig zu stellen. Das tut mir schrecklich leid. Wir, die Überlebenden haben jetzt in Österreich unsere neue Heimat und ich bin froh, hier meinen Platz für meine Lieben und mich gefunden zu haben. Die Erinnerung an unsere lieben Verstorbenen und an alles was sie für uns getan haben, wird mich aber immer mit tiefer Dankbarkeit und Bewunderung erfüllen und in meinem Leben begleiten. Mögen sie beim lieben Gott eine gute neue Heimat gefunden haben.“
Obmann Anton Ertl vom Wiener Schwabenverein führte durch die Messe, der Chor des Schwabenvereins trug viel zur Gestaltung der hl. Messe bei. Erhebend auch der Gang zur Kapelle zum Donauschwaben-Mahnmal mit dem Totenbuch, wo der vielen Toten gedacht wurde.